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Diakonie ist eine Haltung

Nachricht Syke, 08. Februar 2014
2014-02-08KuenkelPublikum
Diakonie-Vorstandssprecher Dr. Christoph Künkel erläuterte die Grundlagen der Diakonie und kritisiert einige Entwicklungen im Sozialmarkt beim Frühjahrsempfang des evangelischen Kirchenkreises Syke-Hoya. Foto: Gunnar Schulz-Achelis

Ein flammendes Plädoyer für eine parteiliche, politische und im Glauben verwurzelte Diakonie hielt Oberlandeskirchenrat Dr. Christoph Künkel, Vorstandssprecher der neuen Diakonie in Niedersachen, am Freitag. Beim Frühjahrsempfang des evangelischen Kirchenkreises Syke-Hoya im Gemeindehaus Syke sprach der Theologe inhaltlich sehr dicht, aber auch gelegentlich launig über: „Vom Menschen zum Kommerz – diakonische Anmerkungen zu den Veränderungen des Sozialen“ vor über 80 Vertretern aus Kommunen und Kirchengemeinden, Gesellschaft und Institutionen. Künkel machte keinen Hehl daraus, dass er „Mensch oder Kommerz“ als falsche Alternative sieht.    

„Sind wir als Christen fähig, sozial zu handeln?“ fragte Künkel wie schon Johann Hinrich Wichern im 19. Jahrhundert. Mit der Idee der „Barmherzigkeit“ werde ein Gefälle ausgedrückt, das den Schwachen vereinnahmt und schon weiß, was für ihn gut sei. Es gehe darum, sich „anrühren zu lassen“, im Nächsten Christus selbst zu erkennen. „Diakonie ist der Ernstfall des Glaubens und unabdingbares Kennzeichen der Kirche“, so Künkel. Die Pflegeleistung einer kirchlichen Diakoniesozialstation sei zunächst nicht erkennbar anders; wichtig sei, dass es um den Menschen geht. „Diakonie ist gemeinschaftliches Handeln ohne Ansehen der Person.“
„Gerechtigkeit“ war beim Philosophen Aristoteles noch ein Gesellschaftsbild, werde heute nur noch für Gruppen beschrieben; zum Beispiel „Teilhabe-Gerechtigkeit“ tangiere die Reichen nicht.
Bis in die 90er Jahre gab es das „Kostendeckungsprinzip“. „Das war ein Traum“, so Künkel. Nach der Kostenexplosion im Sozialwesen kehrte ökonomische Rationalität ein: Plötzlich gab es einen Leistungswettbewerb, Löhne wurden gedrückt und nicht der Mensch ist mehr das Endziel, sondern er wird zum Zweck des Geld verdienens. „Eigenverantwortlichkeit klingt so wahnsinnig mündig. Es heißt aber, dass der, der kann, oft oben drauf zahlt.“ „Die Krankenkassen sagen, sie vertreten die Interessen der Versicherten, ruinieren dabei aber die Pflegelandschaft.“ Sie machen die Leistungen der verschiedenen Wohlfahrtsverbände durch kleinteilige Vorschriften gleich. Die verlieren ihr Profil. Für „Beten am Bett“ sei keine Zeit. Manche Krankenhäuser helfen sich durch sogenannte „Dubai-Stationen“ mit Luxuspflege, mit deren Erlösen man andere, defizitäre Stationen mitfinanziert. „Die Diakonie ist immer auf dem Grad zwischen Pfui-pfui und Himmelreich“ meinte Künkel unter dem Gelächter seiner Zuhörer.
„Wir haben mindestens eine 2-Klassen-Gesellschaft im Sozialen“, so Künkel weiter. Gefördert werden nur noch Maßnahmen für solche Arbeitslose, die in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden können. 15 Prozent haben da aber keine Chance. „Wie verschaffen wir diesen Menschen eine menschenwürdige Teilhabe?“ fragte der 56-Jährige.
Es koste auch etwas, wenn die Diakonie Anwalt für die Benachteiligten sei. „Diakonie ist eine Frage der Haltung und der Spiritualität“. Sie habe sich ihren Auftrag nicht selbst gegeben, sondern „von unserm Herrn“, dessen Verheißung man Glauben schenken könne.

Gastgeber Superintendent Dr. Jörn-Michael Schröder dankte Künkel für seine „vielen unbequemen“ Gedanken und schenkte ihm zwei Frühstücksbretter mit Bibelspruch. In seiner Begrüßung hatte er neue Mitarbeiter und Projekte im Kirchenkreis vorgestellt: Das alte Kirchenkreisamt soll zu einem „Haus der Kirche“ als eine Art kirchlichen Kompetenzzentrum ausgebaut werden mit „modernen Räumlichkeiten für ansprechende diakonische und kirchliche Arbeit“. Er berichtete, dass mittlerweile über 1000 Schüler den Finanzführerschein der sozialen Schuldnerberatung absolviert haben und präsentierte das neue Projekt „Familien stärken“, mit Kuren- und Sozialberatung in kirchlichen Kindertagesstätten. Landrat Cord Bockhop hatte in seinem Grußwort zum Auftakt betont: „Ich wünsche mir, dass Christen sich zu Wort melden und Verantwortung übernehmen.“

Schulz-Achelis 08.02.2014

Gunnar Schulz-Achelis