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Weihnachtsbrief 2014 von Landesbischof R. Meister

Nachricht Hannover, 24. Dezember 2014

Weihnachtsbrief 2014 von Landesbischof R. Meister

Meister, Ralf Bischof
Landesbischof Ralf Meister

Es war ein eigenartiger Anblick. Es war Oktober am Flughafen in Johannesburg in Südafrika. Die typische Flughafenhektik war um mich herum: ankommende und abreisende Passagiere, laute Durchsagen über fehlende Personen, die zum Abflug gebeten wurden, An- und Abflugtafeln, die ununterbrochen ihre Anzeige wechselten und draußen Sonne, 26 Grad. Und mitten in diesem Getümmel: Ein Weihnachtsbaum. Nichts, aber auch gar nichts sonst erinnerte an die Adventsoder Weihnachtszeit. Mir erschien dieser Weihnachtsbaum im Oktober wie eine Lüge. Nichts von den Erwartungen und Hoffnungen, die mit der Geburt Christi in die Welt kommen, konnte ich mit ihm verbinden. Draußen und drinnen passten überhaupt nicht zusammen. Es war ein reiner Marketing-Trick.

Nun ist Dezember. Bei uns ging es draußen seit Ende November ziemlich adventlich bunt zu. Die Weihnachtsmärkte waren in vollem Betrieb, Dekorationen glitzerten, Weihnachtslieder überall, eine Adventsfeier wechselte mit der nächsten. Aber drinnen? Was ist angekommen von all den Lichtern, dem Tannenduft und den Liedern, die uns an jeder Ecke begegnet sind? Ankunft? Auch in Ihnen, hier in dieser Kirche am Heiligen Abend?
 
Drinnen und draußen haben oft wenig miteinander zu tun. Da kann noch so viel Kunstschnee auf den Plastikweihnachtsbäumen im Schaufenster liegen, es kann noch so süßlich aus Kaufhauslautsprechern „Oh Du fröhliche“ singen, innen drin kommt das nicht an. Und auch eine Stunde über den Weihnachtsmarkt geschlendert macht uns noch nicht bereit für eine ganz besondere Ankunft.
 
Mein Lieblingslied für diese Wochen ist auf den Weihnachtsmärkten kaum zu hören. Es ist das Lied: „O Heiland reiß die Himmel auf“. Ein fast 400 Jahre altes Adventslied, das mit seiner tiefen Sehnsucht bis in den Heiligen Abend hineinklingt. „O Heiland, reiß die Himmel auf, herab, herab vom Himmel lauf, reiß ab vom Himmel Tor und Tür, reiß ab, wo Schloss und Riegel für“. Komm herab! Und zwar gewaltig! Dieses Lied ist voll von dem, was Advent und Weihnachten eigentlich meinen: Die tiefe Sehnsucht, es möge einer kommen und uns aus diesem Jammertal erlösen.
Die große Hoffnung, dass es ein Herz der Welt gibt, das bei uns ankommen will, so dass das Leben nicht über eisigen Abgründen hängt.
 
„Wo bleibst du Trost der ganzen Welt?“ heißt es in der vierten Strophe. In diesen Weihnachtstagen denken viele Menschen mit besonderer Traurigkeit an das, was sie verloren haben im vergangenen Jahr. Die Kinder, die das Haus endgültig verließen, die Partnerschaft oder Ehe, die nach vielen Jahren zerbrach, der Freund, der viel zu früh gestorben ist. Kollegen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, eine Diagnose, die keine Hoffnung mehr lässt auf ein langes Leben, große Zukunftspläne, für immer begraben: Wo bleibst du Trost der ganzen Welt? Wann kommst du an, bei uns? Es gibt viel zu trösten, besonders in der Weihnachtszeit.
 
Ist das nicht alles viel zu traurig? Will der uns jetzt die Heilig-Abend-Stimmung vermiesen? Nein. Zu Weihnachten gehört diese besondere Empfindsamkeit. Und die große Sehnsucht, es möge sich wirklich etwas verändern. Weihnachten ist nicht das Abarbeiten von Geschenkelisten, sondern das Warten auf das große Wunder, dass Gott kommt. Ankommt in unserem Leben.
 
Der Weg der Weihnachtstage führt uns nicht zuerst nach draußen, sondern nachinnen. Nicht: Nun mal los, mach’ schon! Sondern: Lass es geschehen. Warte, bis Gott ankommt, in dir. Mit seinem Trost. Mit seiner Zärtlichkeit. Mit seiner Stärke. Mit seiner tiefen, leidenschaftlichen Sehnsucht nach uns. Heute, in dieser Nacht. „Dies ist die Nacht, da mir erschienen des großen Gottes Freundlichkeit; das Kind, dem alle Engel dienen, bringt Licht in meine Dunkelheit, und dieses Welt- und Himmelslicht weicht hunderttausend Sonnen nicht“ (Evangelisches Gesangbuch, 40).
 
Vielleicht ist das Gefühl, kein Weihnachtsgefühl zu haben, deshalb auch kein Verlust, sondern der Beginn der göttlichen Ankunft. Ich wünsche Ihnen Tage der Geduld und der Nachsicht mit sich selbst. Weihnachten ist keine Lüge, sondern die Wahrheit: Gott ist da.
 
Friede sei in Ihren Häusern
Ihr
LANDESBISCHOF Ralf Meister