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„Fühlten uns hier wie im Paradies“

Nachricht Nordwohlde, 23. Dezember 2014

Nordwohldes Pastor Walter Rosenbaum wird am 1. Februar 2015 in den Ruhestand verabschiedet

2014-12-24rosenbaum, walter
  Walter Rosenbaum blättert in seinem Lieblingsbuch, der Bibel. Foto: Krieszeitung/Albrecht  

Nordwohlde - (Von Frauke Albrecht - Kreiszeitung 24.12.2014). Dieses Weihnachtsfest wird für Pastor Walter Rosenbaum ein besonderes Fest. Er hält zum letzten Mal in seiner Gemeinde die Messe und das Nachtgebet an Weihnachten. Am 1. Februar wird Rosenbaum nämlich in den Ruhestand verabschiedet. Seit Wochen schon stehen im Haus am Forellenweg die Kartons. Der 65-Jährige ist zwiegespalten.

„Ich weiß ja schon lange, dass dieser Moment irgendwann kommen wird. Aber ein komisches Gefühl ist es dennoch. Ich möchte die Zeit sinnvoll nutzen und vorbereitet sein. Deshalb haben wir früh mit dem Packen begonnen.“
 
Da mit dem Ruhestand auch der Wohnsitz wegfällt, hat sich das Ehepaar bereits vor Längerem ein neues Domizil gesucht. Ehepaar Rosenbaum wird im Februar nach Bruchhausen-Vilsen ziehen. „Wir haben uns dort ein Haus gekauft und renovieren es seit drei Jahren“, schmunzelt der Pastor. „Meine Frau läuft richtig zur Hochform auf.“ Doch auch er habe handwerkliche Talente an sich entdeckt, die er vorher nicht für möglich gehalten hätte. „Ich unterstütze meine Frau nach Kräften.“
Rosenbaum hat sich fest vorgenommen, mindestens ein Jahr lang zu pausieren, bevor er wieder eine Kanzel betritt. „Ich bin schon gefragt worden, ob ich aushelfen möchte“, merkt er an. Doch er habe abgesagt. Man müsse auch dem Wechsel Zeit geben.
Dass das Paar in Deutschland bleibt, war nicht selbstverständlich. „Wir haben schon überlegt, nach Brasilien zurückzugehen. Schließlich ist meine Frau Brasilianerin, und wir haben dort Verwandtschaft“, sagt Rosenbaum. Doch beide fühlen sich sehr wohl in Norddeutschland.
Für seine Gemeinde wünscht er sich, dass sie erhalten bleibt – und vor allem, dass die Pastorenstelle nicht gestrichen wird.
Der Stellenplan umfasst zwei Arbeitsgebiete: Der Seelsorger betreut die Kirchengemeinde Nordwohlde (halbe Stelle) und den Pfarrbezirk 3 der Kirchengemeinde Bassum (halbe Stelle). So wird es auch zukünftig bleiben.
Die Kirchengemeinde sei attraktiv, sagt Rosenbaum. „Baulich ist alles in sehr gutem Zustand, Orgel und Kirche sind renoviert worden, auch das Gemeindehaus kann sich sehen lassen.“ Das Einzige, was anstünde, sei die Sanierung des Pfarrhauses.
Vor allem aber seien die Nordwohlder ungeheuer engagiert – und das bei nur etwa 1000 Gemeindegliedern. „Wir haben hier in den vergangenen Jahren viele Projekte finanziert und verwirklicht, immer für Vielfalt gesorgt“, blickt Rosenbaum zurück. Es habe ihm Spaß gemacht.
Ihm sei stets wichtig gewesen, Menschen zu ermutigen sich auszuprobieren, Neues an sich zu entdecken, sich aber auch in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen.
Traurig stimme ihn die heute weit verbreitete Konsumhaltung – auch der Kirche gegenüber. Rosenbaum kritisiert den „übertriebenen Individualismus“. „Davon hat niemand etwas.“ Jeder müsse sich vielmehr fragen: „Was kann ich als Bürger tun, um etwas zu verbessern.“
Mit Sorge sieht er die zunehmende Fremdenfeindlichkeit. „Da muss sich Kirche mehr einmischen“, ist er überzeugt. „Die Flüchtlinge müssen als eine Bereicherung, nicht als Bedrohung gesehen werden.“
Rosenbaum kam 1999 nach Nordwohlde – geplant war ein Aufenthalt für sechs Jahre. Doch er blieb. „Wir fühlten uns hier wie im Paradies“, erinnert er sich an die Anfangszeit. Von São Paulo waren sie Überfälle und Einbrüche gewöhnt. Die Kinder konnten im beschaulichen Ort eine unbeschwerte Kindheit mit viel Freiraum erleben.
Brasilien lernte Walter Rosenbaum als Austauschstudent kennen. 1977 machte der junge Würzburger während der Ferien ein Praktikum. „Ich wollte unbedingt die Favelas kennenlernen.“ Die Elendsviertel hinterließen Eindruck. Rosenbaum wollte helfen. Mit 20 Kilogramm Gepäck kehrte er 1982 Deutschland den Rücken zu und reiste nach Brasilien.
Als Pastor erlebte er dort „wunderbare Momente“, wie er sagt. Er arbeitete in einem Sozialzentrum und betreute drei Gemeinden gleichzeitig.
Das Beste aber, was ihm dort begegnet sei, ist seine Frau. In Brasilien wurden auch seine Kinder geboren. Die Tochter kehrte vor ein paar Jahren dorthin zurück. „Unser Sohn ist in Deutschland geblieben. Er wohnt in Bremen.“
„Die nächsten Monate gehören ganz meiner Frau“, sagt Rosenbaum. Sie habe ihre Arbeit als Künstlerin in den vergangenen Jahren oft zurückgestellt. Das soll nun anders werden.

 

Quelle: Kreiszeitung Online v. 24.12.2014