'

Zu Gast bei den „Kirchenrebellen“

Nachricht 22. Juli 2022

Pfarrkonvent des Kirchenkreises Syke-Hoya besucht die „#Zuhausekirche“ der Emmaus-Gemeinde in Bremerhaven

Wie arbeitet Ihr hier? Der Pfarrkonvent des Kirchenkreises Syke-Hoya hat viele Fragen an Chris Schlicht, Pastor in der Bremerhavener Emmaus-Gemeinde in Grünhöfe. Foto: Miriam Unger

KIRCHENKREIS (miu). Der Stadtteil Grünhöfe in Bremerhaven ist ein hartes Pflaster für eine Kirchengemeinde. Sozialer Brennpunkt, viele verschiedene Kulturen, die Quote der Kirchenzugehörigkeit ist ganz niedrig, die der Kinderarmut hoch. Die Wohnblocks sehen alle gleich aus, nur die Kirche sticht optisch heraus, aber leider nicht mit Schönheit. Kein Ort, an dem Gott leichtes Spiel hat, denkt man beim ersten Anblick.

Aber sobald man das Gelände der evangelischen Emmaus-Gemeinde betritt, ist der erste Eindruck weggeblasen. Zwischen Kirche, Gemeindehaus und Innenhof-Garten herrscht lebhafter Betrieb, eine bunte Mischung aus Menschen läuft herum.

„Für welche Aufgaben in der Gemeinde schlägt Dein Herz?“: Chris Schlicht im Gespräch mit Tabea Rösler, Pastorin in Heiligenrode. Foto: Miriam Unger

Die Emmaus-Gemeinde ist eine ungewöhnliche Gemeinde, die gerade aktiv im Aufbruch ist und neue Wege geht. Mittendrin: Vivian Glade, eine experimentierfreudige Kirchenmusikerin, die musikalisch aus der Techno-Goa-Elektro-Richtung kommt, und zwei begeisterte junge Pastoren, die nicht im Talar und in hochkultivierten Worten predigen, sondern in Kapuzenpulli und knackigem, unverblümtem Straßenslang. Christopher Schlicht und Max Bode tragen ihre Basecaps und Tattoos mit derselben natürlichen Lässigkeit wie Gottes Botschaft.

Bekannt geworden sind „die Jungs“, wie sie im Viertel genannt werden, über die Grenzen ihrer eigenen Landeskirche hinaus durch ihr Buch „Die Kirchenrebellen: Wir bringen Leben in die Bude“. Darin erzählen sie von ihren Ideen und Plänen, Projekten und Erfahrungen, Kirche aus der verstaubten Ecke raus in die Mitte einer modernen, pluralistischen Gesellschaft zu holen.

Und wie funktioniert das? Wie arbeiten sie, wer kommt zu ihnen, wo hakt es? Das wollten die Pastor*innen und Mitarbeiter*innen aus dem Kirchenkreis Syke-Hoya wissen. Während einer dreitägigen Fortbildung in Bad Bederkesa beschäftigten sie sich mit inhaltlichen Zukunftsmodellen kirchlicher Arbeit. Und machten auch einen Besuch bei den „Kirchenrebellen“ in Bremerhaven.

Gespannt hörte der Pfarrkonvent aus dem Kirchenkreis Syke-Hoya dem charismatischen Pastor und seiner Kirchenmusikerin zu und hatte viele Fragen an Chris Schlicht.

„Was für Musik ich in der Kirche am liebsten mache? Techno, Goa, Elektro... Auf jeden Fall nicht Orgel!", erzählt Kirchenmusikerin Vivian Glade den Kollegen aus dem Kirchenkreis Syke-Hoya, (von links:) Vikar Sascha Maskow (Syke), Pastor Christian Kopp (Syke), Pastor David Peter (Bücken und Hoyerhagen) und Pastor Holger Hiepler (Leeste). Foto: Miriam Unger

In den letzten beiden Jahren hat das neue Team der Emmaus-Gemeinde viel umgekrempelt, ausprobiert und anders gemacht. „Das hat vielen gefallen, aber vielen eben auch nicht“, erzählt Schlicht. Dafür habe er auch Verständnis: „Jeder Veränderungsprozess ist ja auch ein Trauerprozess. Und Trauer schlägt schnell mal in Wut um. Und davon bekamen wir in der ersten Zeit viel ab.“ „Gotteslästerung“ und „unwürdig“ seien häufige Worte in den Gesprächen gewesen. Auch im Kollegenkreis stießen sie nicht nur auf Jubel und Zustimmung. „Aber unsere Superintendentin und der Regionalbischof stehen hinter uns.“ Und das frische, multimediale Angebot ihrer „#Zuhausekirche“ funktioniert. Sowohl Bei den Menschen vor Ort als auch über die Gemeindegrenzen hinaus.

Die Kolleg*innen aus dem Kirchenkreis Syke-Hoya waren beeindruckt von dem, was in der Emmaus-Gemeinde entstanden ist. „Viele von diesen Ideen und Angeboten hören wir natürlich nicht zum ersten Mal“, sagt Superintendent Dr. Jörn-Michael Schröder. „Aber hier sehen wir es zum ersten Mal in unserer Landeskirche tatsächlich umgesetzt.“

Miriam Unger