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Kirche im Dorf

Nachricht Schwarme, 28. Januar 2013
Harm Cordes
Harm Cordes. Foto: privat

„Unsere Kirche tickt an vielen Stellen viel ländlicher als manche wahr haben wollen“ sagt Pastor Harm Cordes. Am 29. Januar 2013 erscheint von dem früheren Schwarmer Geistlichen das Buch „Kirche im Dorf – Glaube im Alltag. Impulse für die kirchliche Arbeit im ländlichen Raum“.

Auf 150 Seiten bietet er mit viel Schreib- und Erzählfreude typische Begebenheiten aus dem dörflichen Pfarralltag und reflektiert sie, angereichert mit Fachliteratur in den Fußnoten. Seine Kernthese, um die alles kreist, lautet: „Auf dem Dorf ist gut leben. Und glauben.“ Ihm geht es darum, die vielen Chancen von Kirche im ländlichen Raum wahrzunehmen, wertzuschätzen und Perspektiven für künftiges kirchliches Handeln im ländlichen Raum aufzuzeigen.

Das Buch wendet sich nicht gegen kirchliche Arbeit in der Stadt, sondern hebt die positiven Besonderheiten von Kirche auf dem Land hervor, ohne die speziellen Schwierigkeiten zu verschweigen. Ihm selbst ging es darum, seine Zeit von 2001 bis 2009 in der 1700-Seelen-Gemeinde Schwarme bei Bremen zu verarbeiten, aber eben auch – mit viel eigenen Erfahrungen getränkt – Perspektiven aufzeigen, die weit über den Ort hinausgehen. Er wundert sich über kirchenleitende Reformkonzepte, die die Landgemeinden wenig beachten und mit ihren Ansprüchen deren Pfarrern Minderwertigkeitskomplexe einjagen. „Wir beklagen Traditionsabbruch. Aber hier sind tragende Traditionen noch da!“ Ein Viertel der evangelischen Christen wohnt in Orten unter 5000 Einwohnern, in der Hannoverschen Landeskirche noch deutlich mehr.

„Was ist das für ein Pfund, dass der Pastor durchs Dorf und man ihn kennt“. Er erzählt von seinen Spaziergängen mit der Labrador-Hündin „Anna“ durch den Ort und vielen Begegnungen, aus denen sich später Mitarbeit oder Ideen in der Gemeinde ergaben. Er schwärmt von Gottesdiensten, die er in Kooperation mit örtlichen Vereinen gefeiert hat, etwa zu deren Jubiläen. Er berichtet von einer Aussegnung, von einem Gebet bei einem Geburtstagsbesuch, von dem unglaublichen Engagement vieler sonst eher Kirchenferneren bei der Kirchenrenovierung. Alle Geschichten sind nicht spektakulär, aber wahr und so verfremdet, dass niemand konkret erkannt werden kann – und auch der Kirchenvorstand hat das Buch vor Erscheinen gegengelesen und für gut befunden.

Cordes schrieb zunächst die Geschichten und Begebenheiten auf und dann entstand schließlich das Buch innerhalb eines Jahres als Vater in der Erziehungszeit von drei Kindern. Wenn die Kinder nach Kindergarten und Schule in der Mittagszeit ruhten und abends las und tippte der 42-jährige promovierte Theologe, der jetzt mit seiner Frau Maren – Ärztin in Verden – als beurlaubter Pastor im 800-Seelen-Dorf Armsen bei Verden lebt und aus dem ländlichen Sittensen stammt.

Für den Pastoren oder die Pastorin gelte es – frei nach Paulus – den Juden ein Jude und den Dörflern ein Dörfler zu werden, so Cordes. „Mit den Menschen, mit denen ich Glauben teilen möchte, muss ich auch das Leben teilen“.

Cordes beginnt das Buch mit einer Beschreibung des Lebensraumes „Dorf“ und seinen Eigenheiten. Er bemerkt, dass auf den Dörfern die Milieugrenzen nicht so eine große Rolle spielen, umso mehr aber Geschichte und Traditionen. Hier falle der Kirche eine tragende Rolle zu, aber auch als Impulsgeber für Neuerungen. Er stellt die Chancen ländlicher Kirchengemeinden bei Taufen bis hin zu Beerdigungen heraus und die Rolle des Pastors als Ortsfremden. Dieser solle tunlichst die Gemeinde nicht zur persönlichen Selbstverwirklichung nutzen, da er irgendwann auch wieder geht. Harm Cordes bespricht Möglichkeiten kirchlicher Öffentlichkeitsarbeit und der Geldmittelbeschaffung, wiederum mit vielen praktischen Beispielen. Ein letzter Abschnitt widmet sich den Perspektiven kirchlichen Handelns auf dem Dorf, das kurze Wege und die enge Vernetzung im Dorf nutzen kann. Er gibt beiläufig Tipps für Gottesdienste und Kasualien, Seelsorge und Besuche, Gruppenarbeit und Ehrenamt, Projekte und Kooperationen – etwa mit Vereinen.

Seinen Lesern wünscht Cordes, dass sie merken, „dass vieles bei ihnen ähnlich oder anders ist, im Grunde aber vergleichbar“.

Das Buch erscheint am 29. Januar in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig und kostet 18,80 Euro (ISBN: 978-3-374-03133-7). Dr. Harm Cordes liest aus seinem Buch und diskutiert seine Thesen am Freitag, 19. April um 19.30 Uhr im Alten Pfarrhaus in Harpstedt bei Bremen in der Reihe „Landleben“. Der Eintritt ist frei.

Gunnar Schulz-Achelis