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„Reise ohne Wiederkehr“ – Auswanderung deutscher Familien nach Brasilien

Nachricht Syke, 01. November 2014

Brasilientag im Kirchenkreis

201-11-01Flagge Brasilien
Flagge Brasilien

Zu einem facettenreichen Tag hatte der Arbeitskreis Brasilienpartnerschaft im Kirchenkreis Syke/Hoya in die Kirchengemeinde Syke eingeladen. Zum Programm gehörten ein Vortrag, ein Gottesdienst und ein Film zum Thema sowie die Einladung zu landestypischem Essen. Auch Superintendent Dr. Jörn-Michael Schröder nahm am Brasilientag teil und hieß die Gäste im Syker Gemeindehaus willkommen. Die Besucher nahmen die Informationen interessiert und engagiert auf und genossen die familiäre und freundliche Atmosphäre augenscheinlich sehr. Freunde der Partnerschaft, Interessierte, ehemalige und zukünftige Delegierte sowie Mitglieder des Arbeitskreises nutzten den Tag, um die brasilianischen Freunde in der Partnerschaft besser kennen zu lernen und zu verstehen, denn als evangelisch lutherische Christen sind sie fast alle Nachkommen der deutschen Auswanderer.

Die Partnerschaft zwischen dem Kirchenkreis Syke/Hoya und der Synode Mato Grosso in Brasilien besteht seit über 20 Jahren. Alle zwei Jahre finden Besuche bei den Partnern statt. Delegationen aus dem hiesigen Kirchenkreis reisen nach Brasilien und sind dort zu Gast in verschiedenen Kirchengemeinden und zwei Jahre später erfolgt der Gegenbesuch der brasilianischen Partner hier. Die Delegierten übernachten in Familien, lernen die Arbeit in den Kirchengemeinden kennen, besichtigen Institutionen und Betriebe im Landkreis. Der jeweilige Besuch steht immer unter einem Thema, z.B. „Bildung“, „Umweltschutz“ oder „Diakonie“.
In einer sehr konzentriert vorgetragenen Präsentation gab Frau Lena Jung, Mitarbeiterin im Deutschen Auswandererhaus in Bremerhaven, einen Abriss der deutschen Einwanderung nach Brasilien ab dem Jahre 1822. Einwanderer wurden z.B. unter den verarmten Handwerkern und Bauern im Hunsrück aktiv angeworben, so dass ab 1846 ca. 1230 Familien einen Neuanfang im brasilianischen Süden wagten. Trotz vieler Versprechungen und großer Hoffnungen wartete dort ein hartes Leben auf sie, sie mussten Urwald roden und konnten ihre Familien nur unter schwierigen Verhältnissen durchbringen. Fernab der Städte blieben sie mit Sprache und Konfession unter sich. Später erhielten sie eine gewisse Unterstützung vom deutschen Staat, der sie mit einer Deutschtumspolitik wirtschaftlichen Interessen nutzbar machen wollte. In der Mitte des letzten Jahrhunderts ergriff die brasilianische Regierung jedoch Maßnahmen gegen die Deutschen, so wurde etwa die Verwendung der deutschen Sprache verboten, um eine Assimilation an die Leitkultur zu forcieren. Auch später führte die Suche nach auskömmlichen Lebensverhältnissen zu einer weiteren Wanderung der Nachfahren der ersten Einwanderer in Richtung Norden, z.B.in den Bundesstaat Mato Grosso. Heute gibt es ca. 1,5 bis 3 Mio Nachfahren der deutschen Einwanderer, von denen viele nach wie vor Kleinbauern sind.
 
Auf den Vortrag der Wissenschaftlerin folgte der Gottesdienst in der Kirche. Zunächst sprach Pastorin Albertje van der Meer die Begrüßung. In ihren sehr persönlich gehaltenen Worten ging sie der Frage nach „Was ist Heimat?“. Unter anderem erfuhren die Gottesdienstbesucher, dass sie tatsächlich sieben Jahre lang eine Pfarrstelle im Hunsrück bekleidet hatte und daher mit der Mentalität der Menschen dort sehr vertraut wurde. Pastor Walter Rosenbaum hielt den Gottesdienst, musikalisch begleitet wurde er von der Asendorfer Gitarrengruppe unter der Leitung von Teresa Stelter-Diprose.
 
Als gemeinsames Mittagessen wurde das Gericht feijoada angeboten, ein Eintopf aus schwarzen Bohnen mit Wurst und Fleisch, ergänzt von einem scharfen Salat salsa, gerösteten Maniokraspeln, gekochtem Grünkohl und Apfelsinenspalten. Zum abschließenden Abendessen gab es Schwarzbrot mit selbstgemachtem Schmalz und sauren Gurken, ein typisches Hunsrücker Abendessen.
 
Am Nachmittag sahen die Besucher Filmsequenzen aus dem Film „Die andere Heimat – Chronik einer Sehnsucht“. In diesem Film von Edgar Reitz geht es um Menschen aus dem Hunsrück, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts nach Brasilien auswandern wollten, um der Hungersnot und Armut in ihrer Heimat zu entfliehen. Viele Zuschauer waren vom dargestellten Schicksal der einfachen Menschen sehr berührt. Der Regisseur schreibt zu seinem Film: „So mag es vielleicht eine der Wirkungen „Der anderen Heimat“ sein, den Betrachter zum Innehalten zu bringen und für ein paar Stunden den anderen Rhythmus zu erfahren, der unsere Vorfahren zum Überleben befähigte und [der] möglicherweise noch immer der Rhythmus unserer Herzen ist.“
 
Am Abend klang das Treffen aus. Die Besucherinnen und Besucher der Veranstalter hatten ein tieferes Verständnis für das Wesen der Partnerchristen aus Mato Grosso gewonnen und durch die erlebte Gemeinschaft des Tages ihr freundschaftliches Verhältnis untereinander gestärkt. Der Arbeitskreis Brasilienpartnerschaft bedankt sich bei der Kirchengemeinde Syke für die Gastfreundschaft.

Dr. Elena Lenk  30.10.2014