„Ich wollte genau in diese Gegend. Das ist meine Heimat.“

Nachricht Martfeld, 25. März 2015

Neuer Pastor für Martfeld: Heinz-Dieter Freese wird am Sonntag eingeführt

Freese, Heinz-Dieter Kaffeetisch
Pressetermin im Pfarrhaus: Karin Neukirchen-Stratmann vom „Weserkurier“ interviewt Martfelds neuen Pastor Heinz-Dieter Freese. Foto: Miriam Unger

MARTFELD bekommt einen neuen Pastor. Die Presse ist schon da. Und zwar vollzählig. Kreiszeitung, Weserkurier, „Martfeld Live“, Kirchenkreis-Online… Ganz schönes Aufgebot für so einen kleinen Ort. Aber so ist das hier. Martfeld hat zwar nicht mal 3.000 Einwohner, aber in der Gemeinde ist viel los, und der Pastor spielt immer noch eine große Rolle. Heinz-Dieter Freese ist gerade erst eingezogen und noch gar nicht offiziell im Amt. Am Sonntag, 29. März 2015 um 15 Uhr, wird er in der Catharinen-Kirche eingeführt. Aber er scheint sich auch schon jetzt über das große Interesse zu freuen. Zum Pressetermin gibt’s Erdbeerkuchen. Pinscher „Bob“ wieselt zwischen Umzugskartons und Reporterbeinen herum. Alle reden durcheinander. Und Freese freut sich. Er mag es, wenn’s lebendig und gesellig zugeht.

Der 57-Jährige ist schlagfertig, aber die Einstiegs-Frage der Autorin von „Martfeld Live“ bringt ihn dann doch etwas aus dem Konzept: Was mögen Sie an sich selbst am liebsten? „Das geht ja gleich hammerhart los.“ Er überlegt. „Pffff… Also, als Pastor müsste ich jetzt aus der Heiligen Schrift zitieren: ,Wer sich rühmen will, der rühme sich des Herrn.‘“ Und seine Antwort als Privatmensch? „Ich mag an mir am liebsten, dass ich mich über Kleinigkeiten freuen kann. Wenn der Hund einen freudig begrüßt. Oder wenn schönes Wetter ist.“

Heinz-Dieter Freese ist 57 Jahre alt, und seine berufliche Laufbahn hatte schon viele Stationen. Studium in Tübingen und Göttingen. Danach Vikariat im Osnabrücker Raum. Es folgten Loccum, Garbsen bei Hannover, die Insel Juist, Nienburg und Neudorf-Platendorf, ein Moordorf in der Südheide.

Geboren sind seine Frau Gisela und er in Verden. „Ich war auf dem Domgymnasium, sie auf dem Gymnasium am Wall. Eigentlich gehen Schüler dieser beiden Schulen ja keine Verbindung ein, sagt man, aber wir haben uns auch erst im Theologiestudium wieder neu kennengelernt.“

Die beiden Söhne kamen 1986 und 1989 auf die Welt, „aber die sind jetzt leider schon lange aus dem Haus. Sehr betrüblich.“, findet Freese. „Für die beiden natürlich nicht. Aber für mich.“ Die Entfernung ist allerdings überbrückbar: Der eine Sohn wohnt in Hamburg, der andere ist gerade von Frankfurt nach Bremen gezogen.

Gisela Freese arbeitet als landeskirchliche Beauftragte für Altenseelsorge in Hannover. „Sie hätte sich auch vorstellen können, dort zu wohnen, aber ich wollte zurück in die Heimat“, sagt Heinz-Dieter Freese. Wäre auch eine andere Gemeinde im Kirchenkreis für ihn infrage gekommen? „Nein, eigentlich nicht. Ich wollte gerne genau in diese Gegend, die ich aus meiner Kindheit kenne. Viele meiner Verwandten haben hier gewohnt. Schwarme, Blender, Holtum… Martfeld ist eine Randgemeinde, die nach Verden hin orientiert ist, und der Ort hat auf mich immer einen freundlichen Eindruck gemacht. Ich muss nur noch rauskriegen, was das für ein alter Konflikt zwischen Martfeld und Schwarme ist…“ Er nimmt die Pressevertreterinnen ins Visier: „Sie wissen da doch bestimmt was, oder?“

Das fällt immer wieder auf während des Termins – Heinz-Dieter Freese hält keine langen Monologe. Er ist lieber im Gespräch. Er erzählt eine Passage aus seinem Leben, möchte dann aber auch wissen, wer ihm da gegenübersitzt. Wo die Presseleute wohnen, ob sie einen bestimmten Film gesehen haben, und wer noch ein Stück Kuchen möchte.

„Ich mag gern in Gemeinschaft sein. In einer Gruppe. Das war schon immer so“, erklärt er. „Und ich hoffe, dass es in Martfeld genug Interessierte gibt, die dazu auch Lust haben. Ich wünsche mir Leute, die irgendwas wollen. Dass die Gemeinde nicht sagt: ,Der Pastor macht hier alles, und wenn er die Kirche zuschließt, dann isse zu.‘ Sondern, dass jemand begeistert ist von einer Idee, um seinen Glauben umzusetzen. Ob es darum geht, einen neuen Chor zu gründen oder bei ,Essen auf Rädern‘ oder im Besuchskreis mitzumachen. Wenn man Leute findet, die mitziehen, kann man doch tausend gute Sachen machen. Natürlich ist viel zu tun mit der normalen Arbeit - Gottesdienst, Konfirmandenunterricht, Taufen, Trauungen, wenn man dann auch noch runde Geburtstage besucht… Aber es wäre gut, auch immer etwas Neues zu machen. Muss ja nichts Großes sein. Aber etwas, womit man mal ein Türchen öffnet, durch das andere dazukommen können.“

Das Geheimrezept, wie man Jugendliche wieder mehr an die Kirche binden könnte, hat Heinz-Dieter Freese allerdings auch nicht im Gepäck: „Unsere Konkurrenz sind nicht die Katholiken oder irgendwelche Freikirchler, sondern all diese pausenlosen Heilsangebote mit ihren Verlockungen. Wenn ich mit dem Auto an der Bushaltestelle vorbeifahre, könnte ich ja jemanden mitnehmen. Aber das ist gar nicht möglich. Es sieht ja gar keiner mehr, dass da jemand vorbeifährt, weil alle nur auf ihrem Handy rumwischen. Das ist doch schade.“

Freese selbst ist einer, der durch die Jugendarbeit zur Kirche kam: „Ich fand es toll als Jugendlicher, dass ich mal was Neues hörte als immer nur das, was ich aus der eigenen Familie kannte. Dass man nicht nur über sein eigenes Leben sprach, sondern auch mal über Themen wie Glauben und ,Was ist mit den Fremden, die hier zu uns kommen? Sind wir nicht auch irgendwie für die verantwortlich?‘ Für mich hat die Kirche als Schüler ein Fenster zu einer neuen Welt geöffnet. Ich hab im Dom das Oratorium ,Der Messias‘ gehört. Bei uns zu Hause gab’s ganz andere Musik. Ich war immer froh, wenn ich mich im Gemeindehaus mit den anderen treffen konnte. Aber wer will sich denn heute noch im Gemeindehaus treffen? Einige sind sportlich, fahren zum Werder-Spiel, gehen in einen Verein oder in die Disko. Aber der Rest sitzt zu Hause vorm Computer. Eine Lösung weiß ich da aber auch gerade nicht.“

Heinz-Dieter Freese ist keiner, der mit einem klaren Schwerpunkt in die neue Gemeinde kommt: „Alles ist wichtig. Mit Kindern kann man noch viel unternehmen. Beim Thema Flüchtlingsbetreuung mache ich gerne mit. Damit haben meine Frau und ich auch schon Erfahrung – während des Bosnien-Kriegs haben wir zwei Zimmer bei uns im Haus geräumt, und darin hat dann eine Flüchtlingsfamilie gewohnt. Da bekam ich nachmittags keinen Kuchen, sondern immer serbische Bohnensuppe. Das war toll.“

Wenn man ihn jetzt aber frage, was er als Pastor inhaltlich in der Gemeinde vermitteln möchte, „dann ist meine Richtung: Alles, was mit Freiheit zu tun hat. Dazu passt mein eigener Konfirmationsspruch: ,Der Herr ist der Geist. Wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit‘. Mich regt es auf, wenn eine Seite einer anderen den Glauben abspricht oder meint zu wissen, wie man richtig oder nicht richtig glaubt. Ich kann Leute gut so sein lassen, wie sie sind. Ich muss niemanden anders haben.“

Das gilt offenbar nicht nur für Glaubensfragen. Was er in seiner Freizeit gerne mache, sei „draußen sein“, erzählt der Pastor. Beim Spaziergang mit seiem Hund muss er wohl aber auch eine gewisse Andersartigkeit akzeptieren: „Der weiß ganz genau, was er will und was nicht. Und den Wald hasst er.“ Heinz-Dieter Freese zuckt mit den Schultern. „Vielleicht war er mal ein Stadthund. Weiß man ja nicht. Wir haben ihn aus dem Tierheim.“

Seine größte Leidenschaft aber, erzählt Freese mit einem Strahlen im Gesicht, sei die Luftbild-Archäologie. „Wir fliegen mit einer Gleitmaschine von Holzbalge aus los, und ich fotografiere. Immer im Juni/Juli, in dieser Phase, wo das Getreide von Grün auf Gelb geht. Wo es trocken ist, wird es schneller gelb. Wo mal ein alter Graben war, bleibt es noch etwas länger grün. Hier in der Gegend gibt es viele Sandlinsen und sehr unterschiedliche Qualitäten in der Ackerstruktur. Da ist dann nicht viel zu holen. Aber darüber kann man mit den Einheimischen hier immer gut reden, das interessiert viele. Ich kenne Martfeld dadurch also auch schon von oben. Und es ist auch von da aus gesehen niedlich. Man sieht diese Ackerwüste, die parzellenartigen Rechtecke und Linien - und dann liegt da drin so ein verträumtes Dörfchen unter Bäumen. Wie eine kleine Oase.“

Miriam Unger 25.03.2015