„Von Gott kriegste alles.“

Nachricht Loccum, 30. August 2016

Pastoren arbeiten beim Konvent in Loccum zum Thema „Sprache“

Tango Konvent Loccum
„Ohne Worte“: Dass sich vieles auch komplett textfrei ausdrücken lässt, demonstrieren die Tangotänzer Sandra Deike und Manfred Büsing den Theologen. Foto: Miriam Unger

LANDKREIS (miu). „Am Ende ist das Wort. Aber welche Wirkung hat dieses Wort in der jetzigen Gesellschaft? Verstehen die Menschen es heute noch genauso wie früher? Sind wir eigentlich überhaupt (noch) eine Kirche des Wortes?“ Diesen Fragen gingen die Pastorinnen und Pastoren aus dem Kirchenkreis Syke-Hoya während eines Konvent-Kollegs in der Evangelischen Akademie Loccum nach. Eine knappe Woche lang arbeiteten die Theologen aus den Regionen Stuhr-Weyhe-Syke, Bassum-Twistringen, Bruchhausen-Vilsen, Hoya und Harpstedt in Workshops rund um das Thema Sprache.

Das Seminar beginn mit einem herausfordernden Impuls des Journalisten Dr. Matthias Kamann aus Berlin. „Die Evangelische Kirche: Worte, Themen, Köpfe. Oder: Du sollst nicht schwafeln“ hat  der Redakteur seinen Vortrag überschrieben. Kamann ist bei der Tageszeitung „Die Welt“ für politische, gesellschaftliche und kirchliche Themen zuständig. Er berichtet aus seinem journalistischen und persönlichen Blickwinkel auf Kirche, ihre Protagonisten und deren Außendarstellung und wirbt in einem provokanten Plädoyer für Predigten mit weniger Event- und niedrigschwelligem Wohlfühl-Charakter. Stattdessen wünsche er sich wieder mehr Anspruch und theologischen Gehalt.

Um „Wort und Wirkung“ geht es im Vortrag von Dr. Adelheid Ruck-Schröder (Studiendirektorin des Predigerseminars in Loccum) und auch im Gespräch mit Judith Gerstenberg, Leitende Dramaturgin am Schauspielhaus Hannover. Wie stark sich etwas aber auch ganz ohne Text, sondern lediglich mit Gesten, Blicken und Körpersprache ausdrücken lässt, demonstrieren die Tangotänzer Sandra Deike und Manfred Büsing in ihrem Workshop „Ohne Worte“.

Gewichtige theologische Inhalte gibt es dann wieder bei Professor Dr. Dietrich Korsch aus Marburg, der seine Überlegungen zum Reformationsjubiläum vorstellt. Anne Gidion vom Gottesdienstinstitut der Nordkirche in Hamburg ist für das anschließende Kontrastprogramm zuständig. In ihrem Seminar beschäftigen sich die Pastorinnen und Pastoren mit sogenannter „leichte Sprache“. „Leichte Sprache ist ein geschützter Begriff und eine Errungenschaft der Selbsthilfebewegung von Menschen mit geistigen Behinderungen. Dank der UN-Menschenrechtskonvention von 2008 gibt es ein ,Recht auf Verstehen‘, das einfache Lesbarkeit und Verständlichkeit von Texten voraussetzt. Leichte Sprache ist aber keine Kindersprache, obwohl sie oft damit verwechselt wird“, betont die Referentin. „Sie folgt genauen Regeln.“

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„Leichte Sprache“ ist gar nicht so einfach. Anne Gidion vom Gottesdienstinstitut der Nordkirche in Hamburg erklärt die Regeln. Foto: miu

Zum Beispiel: Ein Gedanke pro Satz. Ein Satz hat höchstens 15 Wörter. Keine Relativ- und Nebensätze. Substantive in Verben auflösen. Indikativ formulieren. Keine Konjunktive und Hilfsverben benutzen. Keine Abstrakta. Keine „großen leeren Worte“. Keine Verneinungen.

Fremdwörter, Fachbegriffe, alte oder nicht weitläufig bekannte Bezeichnungen sind genauso tabu wie Bandwurmsätze, schwieriger Satzbau und komplizierte Wortbilder. Die Bibel würde stilistisch wohl schon nach wenigen Sätzen durchfallen.

Die Aufgabe für die Pastorinnen und Pastoren also jetzt: Texte aus der Bibel in „einfache Sprache“ übersetzen. Damit die Theologen was zum Grübeln haben, hat Anne Gidion für sie besonders verschwurbelte Passagen aus der Bibel herausgesucht; wort- und bildreiche Predigttexte oder Gebete, die überarbeitet und am nächsten Tag in einem allgemeinverständlichen Gottesdienst vorgetragen werden sollen.

In den Arbeitsgruppen gibt es viele Diskussionen, viel Gelächter, sehr viel Kopfzerbrechen. Sykes Pastor Christian Kopp übersetzt das altehrwürdige „Halleluja“ mit einem knackigen „Hurra!“.

Sein Weyher Kollege Albert Gerling-Jacobi hat den Römertext erwischt, in dem Passagen wie diese stehen: „Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir seine Kinder sind. Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben; nämlich Gottes Erben…“ Und so weiter. „Also: Wir sind Gottes Kinder. Und als seine Kinder kriegen wir von ihm immer alles“, fasst Gerling zusammen. „Ich kenn‘ das ja, ich bin selber dreifacher Vater.“ Und geht’s noch kürzer? „Klar. In einem Satz: Von Gott kriegste alles.“

Miriam Unger