„Kinder sind intuitive Theisten. Sie glauben selbst und anders.“

Nachricht 13. April 2018
KKT Vilsen Jugendkonvent, Foto miu
"Wir wollen eine neue, coole Kirche vermitteln": Matti Ertel (15) aus Harpstedt, Juliane Schwecke (16) aus Bruchhausen-Vilsen, Ole Gröger und Lina Hanekum (beide 16 und aus Bassum) und Kirchenkreisjugendpastorin Anja von Issendorff stellen beim Kirchenkreistag in Vilsen den frisch gegründeten Jugendkonvent vor. Foto: Miriam Unger

Kirchenkreistag in Vilsen: Parlament des Kirchenkreises Syke-Hoya tagt zum Thema Kinder- und Jugendarbeit

KIRCHENKREIS (miu). Was bietet die Kirche in unserer Region für ihre jüngsten Mitglieder an? Was beschäftigt und hält Kinder und Jugendliche in diesen Angeboten? Was wünschen sie sich, und was brauchen sie? Mit diesen Fragen befasste sich der Kirchenkreistag in Vilsen. Das Parlament des Kirchenkreises Syke-Hoya war in dieser Woche im Gemeindehaus zusammengekommen, um in verschiedene Bereiche der evangelischen Kinder- und Jugendarbeit vor Ort zu blicken.

Zunächst geht es um die Allerkleinsten. Das Fachgebiet von Gert Liebenehm-Degenhard, Dozent am Religionspädagogischen Institut in Loccum, ist Religion im frühkindlichen Alter. In seinem Vortrag zum Thema „Religiöses Lernen zwischen Entwicklungspsychologie und Verkündigung“ berichtet er von eigenen Praxis-Erfahrungen und aus einer Langzeitstudie, für die die emeritierte Professorin Anna-Katharina Szagun zehn Jahre lang mehr als 50 Kinder begleitet und mit verschiedenen Methoden über die Entwicklung ihres Gottesbildes geforscht hat. Die Mädchen und Jungen stammten überwiegend aus einem nicht-christlichen Umfeld. Das Ergebnis war umso erstaunlicher: Fast alle fanden oder hatten bereits einen Zugang zum Thema. „Kinder haben von Natur aus eine Offenheit für religiöses Lernen, und das gilt kulturübergreifend. Egal, wo und wie sie aufwachsen – sie sind spirituell, spüren eine Verbundenheit mit ihrer Umwelt, mit Natur und setzen sich dazu in Beziehung. Sie eignen sich die Welt eigenständig an, und dabei beschäftigen sie sich ganz automatisch mit religiösen, sozialen und philosophischen Fragen“, erklärt Liebenehm-Degenhard.  „Aber sie glauben selbst und anders. Kinder sind intuitive Theisten.“

KKT Vilsen Liebenehm-Degenhard, Foto miu
Gert Liebenehm-Degenhard, Dozent am Religionspädagogischen Institut in Loccum, hält beim Kirchenkreistag in Vilsen einen Vortrag über Religion und Gottesbild im frühkindlichen Alter. Foto: Miriam Unger

Instinktive, von einem natürlichen Grundgefühl für Gott und die Welt ausgehende Gläubige, die Erwachsene nach Dafürhalten des Referenten nicht durch zu schnelle Antworten oder zu klare Zuschreibungen begrenzen sollten: „Theologie muss nicht für Kinder entwickelt werden, sondern mit ihnen und von ihnen selbst. Dabei hilft es, aufzunehmen, was da ist. Den Kindern zuhören, vielleicht schauen, wie sich das, was sie erleben, auf Gott deuten lässt; aber sie ansonsten selbst antworten zu lassen. Es heißt: ,Kinder brauchen Wurzeln und Flügel‘. Auf der einen Seite Vertrauen und Sicherheit, auf der anderen aber auch Freiheit und eigene Erfahrungen – das sind Voraussetzungen, um ein Gottesbild entwickeln und überhaupt glauben zu können.“

Wichtig sei allerdings, dass sich das Bild mit der Zeit erweitere. Dass die Vorstellung mitwächst, Bilder und Worte eigene Symbole finden; dass auch Widersprüche und Zweifel berücksichtigt werden und es nicht bei einem naiven Konzept stehen bleibe wie etwa von Gott als einem freundlichen, durch den Himmel fliegenden älteren Herrn. „Wo es keine weiterführenden Erfahrungen gibt, da geraten Beziehungen ins Stocken oder brechen ab“, weiß Gert Liebenehm-Degenhard. Er regt an, in der religiösen Erziehung alte Formen zu verändern: „Zum Beispiel die Anrede ,Herr‘ oder ,Vater‘. Überhaupt diese Zuschreibung in Bildern, Gott sei geschlechtlich oder eine menschenähnliche Figur, ist nicht hilfreich. Besser ist es, eine Vielfalt von Bildern und Metaphern zu vermitteln für Licht, Kraft, Sicherheit.“

 

Wie das in der Praxis gelingt, zeigt der Blick in die Arbeit des Evangelischen Kindertagesstättenverbands. In den 20 Einrichtungen, die sich in der Region zusammengeschlossen haben, betreuen 111 Mitarbeitende mehr als 1.660 Kinder. Und das Angebot wächst weiter. Im August öffnen unter anderem neue Krippengruppen in Nordwohlde und Weyhe. Der Kitaverband der Kirchenkreise Syke-Hoya und Diepholz ist derzeit der größte Anbieter im Landkreis Diepholz.

Die Einrichtungen haben ein Leitbild, jede setzt zusätzlich eigene Schwerpunkte, „aber für alle gilt: Die Kita soll ein Teil der Gemeinde sein“, erklärt Birgit Greve, pädagogische Leiterin des Verbands. „Dazu gehört der Kontakt zur Kirche und den Pastoren genauso wie der Umgang mit christlichen Ritualen, das Kennenlernen von kirchlichen Festen und ihrer Bedeutung, und dass man sich mit ethischen, sozialen, philosophischen, religiösen Themen beschäftigt.“

Manuela Wilkens, Leiterin der Kindertagesstätte „Arche Noah“ in Nordwohlde, zeigt in einer bunten Dokumentation, auf welch vielfältige Art die Einrichtungen im Kirchenkreis christliche Werte und religiöses Wissen vermitteln.

KKT Vilsen Greve Liebenehm Wilkens, Foto miu
Experten für das Thema Religion im frühkindlichen Alter: Birgit Greve (pädagogische Leiterin im Evangelischen Kindertagesstättenverband), Gert Liebenehm-Degenhard (Dozent am Religionspädagogischen Institut in Loccum) und Manuela Wilkens (Leiterin der Kindertagesstätte „Arche Noah“ in Nordwohlde). Foto: Miriam Unger

Als nächstes stellt Kreisjugendpastorin Anja von Issendorff neue Projekte und Angebote für Jugendliche im Kirchenkreis vor – wie das in kurzer Zeit schon sehr gut angenommene interaktive Jugendgottesdienst-Angebot „Cross16“, das von Gemeinde zu Gemeinde zieht und von einer Gruppe aus jungen Teamern mit Teenagern vor Ort entwickelt wird. Die 32-Jährige hat vor einem Dreivierteljahr die Leitung des Kirchenkreisjugenddienstes übernommen und krempelt derzeit einiges um. Wichtig sei ihr, Strukturen zu schaffen, um die Jugendlichen selbst direkter zu beteiligen, betont sie. Und wird aufs Stichwort hin gleich von einer quirligen Gruppe selbstbewusster Teenager unterbrochen, die sie zum Kirchenkreistag mitgebracht hat: „Dann erzählen wir am besten gleich selber!“

Die Mädchen und Jungen sind nämlich gerade dabei, einen eigenen Jugendkonvent auf Kirchenkreisebene aufzubauen, dem bis jetzt 23 Mitglieder aus elf Gemeinden angehören. Vier davon sind Ole Gröger und Lina Hanekum (beide 16 Jahre alt und aus Bassum), Juliane Schwecke (16) aus Bruchhausen-Vilsen und Matti Ertel (15) aus Harpstedt.

Ole ist Vorsitzender des Gremiums. „Wir möchten nicht nur Ansprechpartner für Jugendliche sein, sondern ein Verbindungsstück zwischen den Generationen“, erklärt er. „Und in einem offiziellen Ausschuss können wir einfach viel mehr bewegen und beeinflussen als wenn wir Teamer in unseren Gemeinden sind.“

Und das, was sie bewegen möchten, ist mehr als Austausch und Aktionen, Projekte, Freizeiten, Camps und Mitsprache bei Entscheidungen, das wird schnell deutlich. „Wir wollen eine neue, coole Kirche vermitteln“, sagt Matti. „Wir werden in die einzelnen Gemeinden kommen, uns mit den Jugendlichen dort vernetzen und gucken, was geht.“

Jugendpastorin Anja von Issendorff hat kein offizielles Stimmrecht im Konvent, ist aber beratendes Mitglied und koordiniert die Treffen derzeit noch.

Neues aus dem Bauausschuss

Im Anschluss berichtet Hans-Jürgen Krohn, stellvertretender Vorsitzender des Bauausschusses, noch über die Arbeit des Gremiums in den zurückliegenden Monaten. Der Ausschuss besteht aus elf Mitgliedern, die sich in Zusammenarbeit mit dem Kirchenamt Sulingen und in Beratung mit dem Amt für Bau- und Kunstpflege Verden mit den Gebäuden des Kirchenkreises beschäftigen.

„Neben Neubauten von Gemeinde- und Pfarrhäusern haben in den vergangenen Jahren vor allem Sanierungen von Pfarrhäusern einen wesentlichen Teil der Bauaktivitäten im Kirchenkreis ausgemacht. Und im Zusammenhang mit dem Wechsel der Pfarrstelleninhaber in den Gemeinden Bücken, Martfeld, Hassel und Leeste werden auch in diesem Jahr wesentliche Anteile der Finanzmittel für Pfarrhaussanierungen gebunden“, erklärt Krohn.

Da wegen eines personellen Engpassens im Amt für Bau-und Kunstpflege Verden viele Maßnahmen im vergangenen Jahr ins Stocken geraten waren, ist die Liste der Vorhaben, die in diesem Jahr umgesetzt werden sollen, etwas umfangreicher.

Die nächsten Baustellen

An mehreren Kirchen sind Baumaßnahmen vorgesehen. Die drei größten Baustellen werden in Brinkum die Sanierung des Kirchendachs und der Fenster (circa 301.000 Euro), in Vilsen die Sanierung des Kirchturms (erster Bauabschnitt circa 780.000, zweiter in 2020/2021 circa 550.000 Euro) und in Hoya die Betonsanierung des Turms (circa 191.500 Euro) sein.

Planung von Gebäudekonzepten

Mehrere Kirchengemeinden haben mit der Entwicklung umfänglicher zukunftsfähiger Gebäudekonzepte begonnen. Am weitesten sind in ihren Planungen die Gemeinden Barrien (Neubau eines Gemeindehauses in zentraler Lage und Verkauf/Abriss von Gemeindehausräumlichkeiten), Bassum (Umbau eines ehemaligen Pfarrhauses zu einem Gemeindehaus und Neubau eines Gemeindesaals bei gleichzeitiger Aufgabe des bisherigen Gemeindehauses), Brinkum (Grundsanierung des Gemeindehauses und Konzentration der gemeindlichen Flächen in einem Gebäude; das frei gewordene Gebäude soll im Bestand bleiben), Harpstedt (Vorplanungen zur Verbesserung der Pfarrdienstwohnung bei gleichzeitiger Neustrukturierung der Gemeindehausflächen), die Kirchengemeinde Heiligenloh-Colnrade (Verkauf des Gemeinde-und Pfarrhauses Colnrade mit dem Ziel des Einbaus eines Gemeinderaums in die Kirche und Errichtung eines Sanitärtrakts), Leeste (Verkauf von zwei Gemeinde- und Pfarrhäusern, Neubau eines Gemeinde-und Pfarrhauses in unmittelbarer Nähe der Kirche), Vilsen (Vorplanungen zum Verkauf und Neubau eines Gemeindehauses oder Umbau/Umnutzung anderer Räumlichkeiten zu einem Gemeindehaus) und Weyhe (Verkauf/Abriss und Neubau eines Pfarrhauses; Abriss eines ungenutzten Lehrerhauses an der Kirche, Einbau von Sanitäreinrichtungen an der Kirche).

Aktuelle Baumaßnahmen

Krohn gibt einen schnellen Überblick über aktuelle Baumaßnahmen im Kirchenkreis: In der Kirchengemeinde Barrien wurde mit dem Neubau eines Gemeindehauses begonnen (Gesamtkosten circa 1.000.000 Euro), die Fertigstellung ist für Dezember geplant. In Bassum wird ein denkmalgeschütztes Gebäude saniert und umgebaut zu einem Gemeindehaus mit Saal-Anbau (Gesamtkosten circa 1.650.000 Euro), die Einweihung mit Bischof Ralf Meister als Gast ist am 20. Mai. In Haßbergen wurde das Gemeindehaus zum Jahresbeginn für 195.000 Euro saniert. Und das Pfarrhaus in Twistringen bekam einen neuen Anbau fürs Pfarrbüro (Gesamtkosten: 145.000 Euro

„Perspektivisch werden auch in den kommenden Jahren Grundsanierungen und die Umsetzung von Gesamtkonzepten kirchlicher Gebäude die baulichen Aktivitäten im Kirchenkreis prägen“, blickt Krohn in die Zukunft. Hilfreich für diese Arbeit sei neben einer kritischen Begleitung der derzeitigen Umstrukturierung im Amt für Bau- und Kunstpflege vor allem die Tatsache, dass der Kirchenkreis zur Verstärkung des technischen Mitarbeiters für Bauangelegenheiten vor Ort bis Mitte 2021 eine weitere halbe Architektenstelle eingerichtet hat.

Beschlussfassung und nächste Tagung

Zwei Beschlüsse müssen noch gefasst werden. Die Einteilung von Wahlbezirken für kommende Abstimmungen im Kirchenkreis wird einstimmig durchgewunken. Danach geht es um die künftige Zusammensetzung des Kirchenkreistags. Im Juni werden die neu gebildeten Kirchenvorstände ihre Arbeit aufnehmen und innerhalb von sechs Monaten ein neues Parlament bilden. Drei Modelle stehen zur Auswahl. Die Versammlung entscheidet sich für die Variante mit der höchsten vorgeschlagenen Mitgliederzahl von 78 Personen.

Der nächste (und in dieser Konstellation letzte) Kirchenkreistag ist am 4. Dezember in Bassum.

Miriam Unger