Stephan Münch aus Wienbergen wird als Prädikant eingeführt
WECHOLD. Stephan Münch sprudelt. Vor Interesse, Ideen, Gedanken und Worten; manchmal ist es kritisches Nachhaken, oft Begeisterung. Er ist jemand, der hinterfragt, Dingen auf den Grund gehen und seine Sachen nicht halbherzig machen will. Keiner, der einfach so ein Patenamt übernimmt und das Kind übers Taufbecken hält, ohne sich vorher Gedanken darüber gemacht zu haben, was das eigentlich bedeutet. Und keiner, der „mal ein bisschen was in der Kirche macht“. Der 49-Jährige möchte das, was ihm wichtig ist, dann auch gleich richtig machen. So war es für ihn logisch, sich als interessiertes Mitglied in seiner pastor*innenlosen Kirchengemeinde zum professionellen Prediger ausbilden zu lassen. Am kommenden Sonntag, 19.12., wird er um 18 Uhr in der St. Marien Kirche in Wechold in sein Amt als Prädikant im Kirchenkreis Syke-Hoya eingeführt.
Dabei stand seine Beziehung zur Kirche nicht von Anfang an unter einem glücklichen Stern. Eine christliche Prägung bekam der gebürtige Berliner zwar von zu Hause mit. Der Konfirmandenunterricht schreckte ihn als Jugendlichen aber ab: „Ich konnte mit dem Pastor nichts anfangen. Der hat so moralisch gepredigt, da ging es sogar noch um Verdammnis. Das war mir alles viel zu ,Game-of-Thrones‘-mäßig. Zu konservativ, weltfremd – nicht das, an was ich glaubte.“
Als junger Erwachsener, der sich in Berlin viel in Kulturschaffenden-Kreisen bewegte, kam das Unverständnis hinzu, dass die evangelische Kirche sich lange Zeit schwertat mit einem klaren Bekenntnis, die Ehe von gleichgeschlechtlichen Paaren als gleichwertig anzuerkennen. Sie wurden zwar gesegnet, aber nicht offiziell getraut. „Das war für viele in meinem Freundeskreis eine große Verletzung. Sie fühlten sich ausgeschlossen“, sagt Stephan Münch. „Zum Glück hat in der Evangelischen Kirche inzwischen eine Öffnung stattgefunden. Man hat anerkannt, dass Familie anders aussehen kann als nur klassisch Mann, Frau und Kind. Wir feiern ja die Gottesdienste auch nicht mehr in Latein. Die Entscheidung für die ,Ehe für alle‘ war wichtig. Und auch sonst ist die Kirche viel moderner geworden als sie in meiner Kindheit war.“
Den Ausschlag, dass der gelernte Diätassistent und Diabetesberater zur Kirche zurückfand, gaben zwei Ereignisse. Zunächst die Frage von Freunden, ob er bei der Taufe ihrer Tochter Pate werden möchte. Und dann, nach seinem Umzug von Berlin nach Wienbergen 2017, der erste Kontakt mit der dörflichen Kirchengemeinde Wechold. „Ich war vollkommen überrascht, wie aktiv Gemeindeleben und wie lebendig, lebensnah und aktuell Gottesdienste sein können“, staunte Münch. „Das hab ich vorher nie erlebt. Die Pastorin gefiel mir gut. Ich denke, das ist die Antwort auf die Frage, wie man zur Kirche wieder einen Draht findet: Es hat viel mit den Persönlichkeiten zu tun, die für Kirche vor Ort stehen.“
Er ging wieder häufiger in die Kirche und erfuhr von der Möglichkeit, als Lektor Lesepredigten halten zu können – „ich dachte, ich bewerbe mich einfach mal.“ Er war gerade mit der Ausbildung fertig, als die Pastorin die Gemeinde verließ. „So übernahm ich gleich den Silvester- und den Neujahrsgottesdienst. Und irgendwann hatte ich in dieser Vakanzzeit so viele Gottesdienste gemacht, dass ich es spannend fand, weiterzumachen mit einer Prädikanten-Ausbildung, um eigenverantwortlich Gottesdienste leiten und eigene Predigten halten zu können.“
Was seinen Respekt vor Pastor*innen vergrößerte: „Wie viel Arbeit, Recherche und Wissen in so einer Predigt steckt, das hatte ich mir vorher nie klargemacht.“ Dass sich dennoch auch Laien zum Predigen ausbilden lassen, hält er für eine Bereicherung: „Ich glaube, wenn man viele Sichtweisen abbildet und eine größere Vielfalt hat, kommt noch mal ein anderer Drive mit rein, der den Gemeinden gut tut.“
Dass die Landeskirche in den letzten Jahren mehr Lektor*innen ausbildet und es sogar gut besuchte U25-Kurse gibt, „das zeigt doch, dass die Kirche noch lebt“, findet Stephan Münch. „Allein die Unterschiedlichkeit hier bei uns in der Gemeinde: Ich bin ein dynamischer Redner, der mit Händen und Armen arbeitet; andere machen das ruhiger, getragener. Je mehr unterschiedliche Leute Gottesdienste anbieten, desto mehr Menschen können wir ansprechen.“
Witzig findet er, dass er im Dorf hauptsächlich von kirchenfernen Leuten auf seine Tätigkeit angesprochen wird. „Die fragen mich viel mehr aus. Viele scheinen immer noch zu erwarten, dass man missionieren würde, so wie es vor Jahrhunderten gemacht wurde. Aber ich fange nicht von mir aus mit dem Thema an. Ich denke, die Botschaft spricht für sich.“
Und die gibt‘s am Sonntag ab 18 Uhr bei seiner Einführung in der St. Marien Kirche in Wechold.
Miriam Unger