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Mittendrin statt nur dabei

Nachricht Syke, 08. März 2021

Kirchenkreissozialarbeiterin Katrin Moser hilft Menschen in Krisen

Eine neue Erfahrung für viele Familien: Miteinander viel Zeit verbringen. Damit kommt nicht jeder klar. Auf einmal hängen alle aufeinander: die Eltern im Homeoffice, die Kinder beim Homeschooling. Das funktioniert nicht immer reibungslos. Wenn’s hakt, kriselt oder eskaliert, kommt Katrin Moser ins Spiel. Sie ist mittendrin - Corona zum Trotz. Das ist ihr Job. 

Katrin Moser arbeitet als Kirchenkreissozialarbeiterin beim Diakonischen Werk in Syke. Sie erinnert sich: „Im ersten Lockdown haben viele Eltern ihre Kinder nochmal neu kennengelernt und mussten sich mit ihnen auseinandersetzen. Das hat untereinander häufig zu Aggressionen geführt.“ Statt in der Schule, waren die Kinder permanent zu Hause. Auch der Sportverein am Nachmittag fiel aus. Nichts ging mehr - außer eben zu Hause. „Die Kinder sind dann regelrecht ausgerastet, haben gegen die Tür getreten, die Eltern beleidigt. Das hat die Familien herausgefordert“, sagt Katrin Moser. „Der Abrieb war dann zu Hause und nicht mehr draußen bei den Kumpeln.“ Für die Sozialarbeiterin Gründe, um moderierend einzugreifen, um die Konflikte zu lösen - oder zumindest zu entschärfen. 

Doch nicht immer bahnt sich der Frust körperlich seinen Weg. „Was ich als ganz schlimm empfunden habe, ist die Zunahme psychischer Gewalt“, sagt Katrin Moser über gegenseitige Abwertungen in den Familien, „der eine macht - salopp gesagt - den anderen runter.“ Auch die Zunahme seelischer Grausamkeiten hat ihr zufolge zugenommen. „Erschwerend kommt hinzu, dass die Leute nirgendwo anders hingehen können.“ Auch zeigt sich in der Krise, wie es eigentlich um die Qualität der Beziehung steht - zum Ehepartner, zu den Kindern, auch zu den Freuden. Und darum, wie Katrin Moser sagt: „Wie kann ich das alles halten, wenn Beziehungen auf die Probe gestellt werden.“ Das soziale Miteinander im Ausnahmezustand. 

Unterstützung bietet Katrin Moser Familien dabei, wie sie in der ungewohnten Situation den Tag strukturieren können, gerade auch mit Bezug auf die Kinder. „Manche Eltern sorgen sich, ob sie das mit dem Homeschooling hinbekommen - was soll nur aus den Kindern werden? Die fragen sich bei ihrem Grundschulkind fast schon hysterisch, ob es später dann überhaupt das Abitur schafft.“ Eine Situation, mit der sich viele Eltern überfordert fühlen. Doch es gibt auch das Gegenteil: Eltern, die sich überhaupt nicht sorgen. „Das ist das andere Extrem“, sagt Katrin Moser. „Die Kinder haben ihr Mittagessen im Hort oder in der Schule bekommen, aber zu Hause bekommen die Eltern es nicht hin, Struktur zu schaffen. Das führt zu einer Zunahme von Verwahrlosung.“ 

Insgesamt haben die psychischen Probleme zugenommen, bilanziert Katrin Moser. „Viele, die psychisch sowieso schon angeschlagen sind, verlieren immer mehr den Bezug zur Realität und können sogar psychotisch werden. Das ist auf jeden Fall mehr geworden.“ Unter dem Lockdown leidet die ganze Gesellschaft - und wie Katrin Moser sagt: „Die Menschen, die sowieso schon auf Hilfe angewiesen waren, erst recht.“

Andy Wackert