'

Leester Pop-Kantor fehlt die Action

Nachricht Leeste, 23. Februar 2021

Sören Tesch über Kirchenmusik in Zeiten von Corona

Der Leester Pop-Kantor Sören Tesch zieht andere Saiten auf. Wie fast überall liegt das musikalische Leben derzeit auf Eis. Der Musiker hofft auf einen Neustart nach den Sommerferien. Foto: Andy Wackert

Es ist ruhig geworden. Fast schon still. Nur noch an Sonntagen ertönt Musik, füllt die Marienkirche in Leeste mit Musik. Und sonst? Nebenan im Gemeindehaus, wo sonst Chorproben stattfinden und eine Band probt, herrscht Stille. Seit Monaten. Corona hat auch die Kirchenmusik zum Schweigen gebracht - weitestgehend. Trotzdem ist Sören Tesch voller Elan. Der Pop-Kantor blickt nach vorn. Etwa aus Trotz? Eher nicht, hier brennt einfach jemand für seine Leidenschaft - die Musik. Und was man mit Musik erreichen kann.

Dabei liegt seine Arbeit der vergangen sechs Jahre am Boden. „Bis auf die Gottesdienste findet Musik gerade nicht statt“, sagt der 43-Jährige. Der Großteil dessen, was er seit seinem Antritt im Februar 2015 in der Lester Kirchengemeinde aufgebaut hat, liegt brach. Proben mit dem Kirchenchor? Fehlanzeige. Proben mit den Leester Chorwürmern? Ebenfalls Fehlanzeige. Proben mit der Jugendband We Stamp? Genau, auch das Projekt liegt auf Eis.

Beim Treffen im Gemeindehaus steht das Schlagzeug für die Jugendband mitten im Raum. Sören Tesch trommelt etwas darauf herum, während er sich die Wartezeit vertreibt. Ein schöner Zeitvertreib. Er könnte sich auch ans Klavier setzen - das ist sein Hauptinstrument - oder wie er es konkretisiert: die Hammondorgel. Damit war er jahrelang mit seinen Bands auf Tournee. Doch Sören Tesch kann mehr: Gitarre spielt er auch. Zu der greift Sören Tesch dann aber später nur fürs Foto. Der Pop-Kantor wird dann so tun, als ob er die Gitarre stimmt. Tut er aber nicht. Er sagt: „Wer etwas Ahnung vom Gitarrenspielen hat, weiß, dass man so keine Gitarre stimmt.“ Die Gitarre im Gemeindehaus ist nicht spielbereit, einige Saiten sind gerissen, hängen herunter. Als ob das Instrument stellvertretend den Zustand der Musik in Zeiten von Corona im Allgemeinen repräsentiert.

Das war nicht immer so. „Hier im Gemeindehaus war immer Action“, blickt Sören Tesch begeistert zurück auf die Zeit vor Corona. Vor dem Lockdown, vor den Kontaktbeschränkungen. „Eltern wussten, dass ihre Kinder die Nacht gut schlafen, wenn sie vorher bei der Probe des Kinderchores gewesen sind. Die Kleinen konnten sich hier auspowern.“ Auch den Kirchenchor leitet Sören Tesch - und hat die Zahl der Sängerinnen und Sänger über die Jahre von anfangs 24 auf 50 gesteigert. „Wir haben alles gesungen, nicht nur Kirchenmusik: Gospel, Schlager, Pop“, sagt Sören Tesch. Und er fügt begeistert hinzu: „Mein Chor kann auf Kommando auf 2 und 4 klatschen.“

Und jetzt? Jetzt wird nicht mehr geklatscht. Nicht auf 2 und 4, auch nicht für Applaus. „Das Virus hat alles auf Eis gelegt“, sagt Sören Tesch. „Zuerst habe ich versucht, via Whatsapp den Kontakt aufrecht zu halten. Ich habe jede Woche Videos von neuen Stücken gemacht, eine Version mit Gesang, eine ohne, so dass man selbst dazu singen konnte“, erinnert sich der Kirchenmusiker. Doch der Erfolg war eher mäßig: „Anfangs wurden die Nachrichten noch gelesen, es kam auch was zurück. Nach vier Wochen war die Luft raus. Zum Schluss wurden die Videos gar nicht mehr angeklickt.“ Doch Sören Tesch lässt nicht locker, er hat die Idee, Musik draußen zu machen, im Garten, mit Abstand, mit dem großen Chor auf dem Parkplatz. Als es kälter wird mit Wolldecken. „Das ging vier, fünf Mal gut.“ Seitdem ist es wieder still.

Und nicht nur das: „Die Menschen sind auch wegen der sozialen Kontakte zu den Proben gekommen. Die stehen doch eigentlich im Vordergrund. Man hat sich getroffen, den ein oder anderen Schnack gehalten. Diese soziale Komponente der Musik ist total wichtig und komplett weggebrochen“, sagt Sören Tesch. Das ist das, was ihm große Sorgen bereitet. „Kürzlich habe ich zufällig eine Sängerin des Kirchenchores getroffen. Sie ist Mitte 80. Ich habe ihr sofort angesehen, dass es ihr schlecht geht. Sie sagte, dass sie seit drei Monaten das erste Mal ihre Wohnung verlassen habe. Das, was Corona mache, habe ihr das Herz gebrochen. Ihr fehlen die sozialen Kontakte, das Miteinander.“

Und, wie geht’s weiter, wenn es wieder weitergeht? „Ich werde einen Reset 2.0 machen müssen - alles von neuem aufbauen“, ist Sören Tesch überzeugt. „Nach den Osterferien werde ich mit der Gitarre unter dem Arm durch die Schulen ziehen und versuchen, Jugendliche für die Band zu begeistern.“ Der Pop-Kantor gibt die Hoffnung jedenfalls nicht auf, dass jede Menge Musik wieder Gemeindehaus und Kirche mit Leben erfüllen wird: „Ich hoffe, dass es nach den Sommerferien soweit sein wird.“ Bis dann herrscht weiterhin: Stille.